Über die Macht der (visuellen) Symbole im Museum – Josefine Haiduck

Im Kunstmuseum begegnen uns oft Symbole, die uns dazu auffordern, eine ehrfürchtige Distanz zu Kunstwerken zu wahren (Do not touch!). Doch was passiert, wenn Symbole uns einladen, Kunstwerke mit allen Sinnen zu erforschen? Josefine Haiduck stößt mit diesen Fragen einen Diskurs über Inklusivität und Barrierefreiheit im Kunstmuseum an. Sie reflektiert, welche (visuelle) Macht Symbole im Museum haben und wie sie zu einem Neudenken in der Entwicklung von barrierefreien Museen und zum Kuratieren von Ausstellungsflächen beitragen können.

Die symbolische Aufforderung auf einem weißen Blatt Papier „Bitte nicht berühren!“, „Bitte nicht anfassen“, „Please, Do Not Touch!“, das Piepen vom Alarm beim zu nah herantreten an ein Kunstwerk sind uns Museumsbesucher:innen geläufig und universal verständlich. Die Aufforderungen verstehen sich als Symbole und vermitteln uns Besuchenden Distanz zum Ausstellungsobjekt einzunehmen. Doch was passiert, wenn uns Symbole im Ausstellungsraum nicht auf Distanz halten wollen, sondern uns vielmehr davon erzählen wollen, was man berühren, anfassen oder riechen kann und ausdrücklich darf. Sprich, uns förmlich einzuladen, unsere fünf Sinneswahrnehmungen zu verwenden?

Dieser Diskurs wird durch die Fragen nach einer barrierefreien und inklusiven Haltung im Museum neu entfacht und die Notwendigkeit von Symbolen im Ausstellungsraum wird hier relevanter denn je zuvor. Ein inklusives Museum bedeutet, einen Ort des Lernens über Kultur und ihre Güter Allen zu ermöglichen. Durch 3D-Tastmodelle, Textil- und Materialproben zum Anfassen, Audiospuren und Braille wird versucht, das oftmals auf den optischen Sehsinn beschränkte Kunstwerk mit allen Sinnen erfahrbar zu machen. So kann das Werk mit uns Besucher:innen in einen Dialog treten. Hier ist besonders spannend, wie ein bestimmter Geruch, ein Geschmack oder die Textur eines Materials eine bestimmte individuelle und persönliche Erinnerung bei uns hervorrufen kann und wir dem Kunstwerk vor uns möglicherweise interpretativ neu begegnen können. Ob ich als Besuchende ein Kunstwerk nun berühren darf oder nicht, wird durch Symbole vermittelt. Es geht also bei einem barrierefreien Kunstmuseum um das vermittelnde und kuratorische Aufbrechen der optischen Dominanz der bildenden Kunst und ihrer vermeintlichen einseitigen Erfahrbarkeit über das Sehen, sprich das was den „anderen“ Sinneswahrnehmungen einst vorenthalten blieb, soll nun neu entdeckt werden. Und dies geschieht über die Macht der Symbole – bspw. einer abgebildeten Hand als Symbol für Berührung, einem Kopfhörer als Symbol für eine Audiospur zum hören etc. – allerdings stellt sich mir hier die Frage, ob diese Symbole – was darf ich als Museumsbesucher:in und was nicht – nicht auch wieder rein auf den Sinn des Sehens und der optischen Wahrnehmung ausgelegt sind? So gehen wir doch wieder von einer (rein) optischen Erfahrbarkeit und Wissensvermittlung über das abgebildete Bild – in diesem Fall über das Symbol – aus, was uns viel über unsere eigenen kulturell verankerten Vorstellungen über Kunst und ihre Betrachtung verrät. Und zwar, dass wir eine auffallend durch den Sehsinn geprägte Kultur sind. Dies zeigt sich beispielsweise besonders in unserem Konsum von Inhalten über visuelle soziale Medien der letzten Jahren, wie Instagram und TikTok. Vielleicht braucht es eine neue Strategie, gar ein Umdenken, wie wir Symbole nicht mehr nur rein über das Optische wahrnehmen und erfahren können. Es bedarf nach einem Neudenken im Design,trotz der (stillen) gesellschaftlichen Einigung auf die verrostete Lesart von Symbolen, die uns so vorkommen, als wären sie „in Stein gemeißelt“, da diese seit jeher unverändert dominieren. Jedoch können diese Symbole neu und weiter gedacht werden und insbesondere zugänglich(er) designt werden (bspw. In Form von Tastreliefs), sodass wir nicht erst Barrieren im Museum aufbauen, sondern versuchen diese abzubauen.

Biografie

Josefine Haiduck

Josefine Haiduck ist Kunstwissenschaftlerin, sie studierte Kunstgeschichte an der Universität Leipzig und befindet sich seit Ende 2021 im Masterprogramm der Kunstwissenschaften an der Kunsthochschule BURGGiebichenstein in Halle (a.d. Saale). Momentan befasst sie sich thematisch u.a. mit Fragen aus der Kunstvermittlung nach einer gesellschaftlichen Öffnung des musealen Raums, mit besonderem Hinblick auf eine barrierefreie Gestaltung des Raumdisplays und des Vermittlungsprogramms. Josefine Haiduck lebt und arbeitet in Leipzig.

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