#5 Editorial

Issue #5 Icons,

You are not born an icon, you are made one

Ob als Schweißabdruck auf einem Laken verewigt oder in einem Amulett mitgetragen, auf dem Superbowl bejubelt oder auf Instagram von einer Million Followern verehrt, Ikonenbildungsprozesse sind vielleicht die ältesten Rezeptionsphänomene menschlichen Zusammenlebens.

Ursprünglich als christlich-orthodoxes Kultbild zur Verbindung zwischen dem Irdischen und dem Göttlichen gedacht, hat sich die Ikone von ihrer vormals religiösen Bedeutung emanzipiert und erscheint heute in sich ständig wandelnden Formen. Bei allem Wandel gibt es eine Konstante: die Verehrung durch eine Anhängerschaft.

Auch diese nimmt unter den Bedingungen der Moderne eine veränderte Form an: Während in vorherigen Jahrhunderten Gläubige in stummen Gebeten versunken vor ihren Ikonen niederknieten, schlagen heute Teenagerherzen beim Anblick der Lieblingsband höher und die obsessive Beschäftigung mit dem Lifestyle der favorisierten Celebrity-Ikone kann in eine Form des Quasi-Religiösen übergehen. 

Damals wie heute bringt die Ikonenverehrung Probleme mit sich. Wenn Menschen nach erleuchtenden Worten lechzend an den Lippen ihrer Ikonen hängen und auf die nächste Veröffentlichung warten, werden meist unreflektiert Glaubenssätze der Vorbilder übernommen.

Die Ikone wird zur einzig heilbringenden Gestalt auserkoren. Gerade unsere Zeit der Digitalisierung, in der mediale Aufmerksamkeit ein hart umkämpftes Gut darstellt, begünstigt das Verfolgen von Idolen aus der Hoffnung des eigenen Aufstiegs heraus. Doch was, wenn der Schein trügt und Fans an der Unerreichbarkeit des Ideals zerbrechen? Was, wenn die Faszination in eine Obsession umschlägt, die am Ende sowohl den Verehrenden als auch den Verehrten Schaden zufügt? 

Ikonen und ihr Vermögen, große Massen zu mobilisieren, werden in ihrem Verständnis häufig auf die normative Funktion innerhalb der Mehrheitsgesellschaft beschränkt. Dabei besitzen sie gleichzeitig ein hohes emanzipatorisches Potenzial, wenn es darum geht, als protektorische und ermächtigende Bilder für Minderheiten zu fungieren und somit ihre Macht dafür nutzen können, eine Richtigstellung der Geschichte einzufordern.

Issue #5 von frame[less] eröffnete einen Raum zur Erprobung der Potentiale von Ikonen. Die Beiträge der Ausgabe liefern eine große Bandbreite aus Perspektiven, die sich dem Thema wissenschaftlich, künstlerisch, forschend und hypothetisch annähern. Es werden kritische Fragen gestellt, Narrative nachgezogen, dekonstruiert und Widersprüche aufgedeckt. 

Who threw the first brick at stonewall? Auf jeden Fall eine Ikone.

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